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Elternschaft . Kleinkind

„Hilfe, mein Kind haut mich!“

On 24.05.2020 by anna

Franziska* schrieb mir: „Mein Sohn haut mich oder meinen Mann, wenn etwas nicht so läuft, wie er es will. Ich weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll und werde selbst oft laut. Was kann ich konkret tun?“

Hier beantworte ich eure Fragen mit meinem Hintergrund eines Studiums der Neurowissenschaften und kognitiven Psychologie, einer Ausbildung zur Trageberaterin und Babykursleiterin, meinem gesammelten Wissen aus etwa 250 Büchern zum Thema Erziehung und meinen Erfahrungen, die ich in den letzten sieben Jahren als Mutter gesammelt habe. Ich bin keine Psychologin und kein Coach. Wenn euch eine Situation so sehr belastet, dass sie eure Gedanken den ganzen Tag über beeinflusst, möchte ich euch bitten, euch professionelle Hilfe zu suchen. Ich kann euch die innere Arbeit mit eurem Päckchen an Erfahrungen, Verletzungen und Traumata nicht abnehmen. Was ich aber versuchen kann, ist euch ein paar Gedanken und Impulse mitzugeben, die euch vielleicht helfen können, eure eigene Lösung zu finden. Und wenn ihr euch mit dem, was ich schreibe, überhaupt nicht identifizieren können solltet, dann ist auch das ein wichtiges Zeichen. Ich bin keine „Expertin“ und habe die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen. Was ich anbieten kann, ist eine (hoffentlich) empathische Antwort aus wissenschaftlichem und persönlichem Hintergrund.

Wer mir auch schreiben möchte, wendet sich bitte an anna.brachetti@posteo.de. Ich bearbeite dienstags und donnerstags für eine bestimmte Zeit eure Briefe. Schreibt bitte auch dazu, ob ich eure Nachricht und meine Antwort darauf anonymisiert (*Namen werden verändert) veröffentlichen kann.

Vielen Dank für das Vertrauen!

Liebe Anna!

Ich würde dir gerne eine Frage stellen, da ich viel von deiner Art zu Erziehen halte und ich gerade leider nicht weiter weiß.

Unser Sohn wird jetzt 4 Jahre alt. Er war uns, also meinem Mann und mir gegenüber schon immer körperlich „brutal“, also haut uns häufig, wenn es nicht so läuft wie er es will, beschimpft uns und wir kommen dann häufig aus der Situation nicht raus.

Ich habe oft das Gefühl, er verlangt nach Regeln und Grenzen, aber ich bin nicht in der Lage diese zu setzen, weil ich einfach nicht weiß wie.

Ich rede dann mit ihm, sage ihm klar und deutlich, dass ich nicht gehauen oder beschimpft werden möchte, aber das bringt alles gar nichts. Oft eskalieren solche Situationen dann (also keine körperliche Gewalt, sondern ich werde laut), was ich überhaupt nicht will, denn dann schaukeln wir uns hoch.

Ich habe schon so vieles versucht, aber nichts hilft. Hast du vielleicht einen Idee oder einen Tip für mich? In der Literatur ist mir das häufig zu verallgemeinert, mir fehlen konkretere Handlungsmöglichkeiten.

Ganz liebe Grüße und vielen Dank für deine Mühen, Franziska*

Hallo liebe Franziska,

Vielen Dank für dein Vertrauen! Du hast recht, die Literatur ist da selten sehr konkret, das fand ich auch ziemlich schwierig, als meine Tochter so aggressiv auf andere Kinder, ihre Schwester und auch uns reagiert hat.
Ich finde es wichtig zu verstehen, dass Kinder mit Aggressivität meist einen inneren Schmerz ausdrücken wollen. Das heißt nicht, dass wir als Eltern etwas falsch gemacht haben, aber etwas läuft eben nicht so, wie unsere Kinder es sich gedacht haben und sie können noch nicht so gut umplanen und neue Wege finden. Das macht wütend und diese Wut äußert sich dann. Mit der Zeit lernen Kinder normalerweise eine bessere Impulskontrolle und erfahren, welche Verhaltensweisen in Ordnung sind und welche nicht.

Dafür braucht es eine klare Kommunikation von uns Eltern, die im Kleinkindalter mit „Aua!“ und „Stopp“ anfängt, damit die Kinder verstehen, was ihr Hauen in uns auslöst. Allerdings reicht das nicht, denn nur zu wissen, was nicht in Ordnung ist, hilft Kindern nicht herauszufinden, wie sie sich denn besser verhalten können. Wir können z.B. darauf eingehen, was die Ursache war: „Du bist ganz schön sauer, weil …“ (im Tonfall das Gefühl etwas abgemildert, aber schon noch deutlich wiedergeben), damit sich das Kind verstanden fühlt. Vor allem braucht es aber auch alternative Lösungen. So gern wir es hätten – das „ei-ei“ ist leider keine alternative Lösung, weil es der emotionalen Schwere der Situation nicht gerecht wird. Wenn ich wütend bin, will ich mich ja auch nicht immer zusammenreißen und freundlich piepsen müssen, sondern will eben sagen können, dass ich echt sauer bin. Nur eben, ohne anderen damit zu schaden.

Ich denke nicht, dass Kinder unbedingt „klare Grenzen“ brauchen (im Sinne von konkreten Regeln, deren Verstoß dann bestraft werden muss), aber sie brauchen tatsächlich Klarheit von uns Erwachsenen und ein Gespür dafür, wann sie an unsere Grenzen stoßen. Dass du so wütend auf ihn reagierst, könnte ein Hinweis darauf sein, dass du selbst nicht so richtig auf deine eigenen Grenzen achtest. Oder dich triggert eine Situation, die du selbst schon erlebt hast und die dich sehr hilf- und machtlos fühlen ließ.

Du musst dir nicht weh tun lassen und du musst dich nicht beschimpfen lassen. Steh auf, tritt einen Schritt zurück, sag ganz klar: „Stopp, das tut mir weh!“, wenn er dir hinterher kommt und nach dir schlägt, kannst du dich natürlich auch schützen. Und ja, du kannst dann auch die Hände festhalten, natürlich so wenig stark wie möglich. Gerade wenn dich das Hauen triggert und du eventuell immer wütender wirst, solltest du allerdings vielleicht eher versuchen, auszuweichen und deine eigenen Hände hinter den Rücken nehmen. Kinder sollten das Recht haben, ihre Gefühle zu zeigen, aber sie haben nicht das Recht, jemandem weh zu tun. Oft hilft auch ein gemeinsamer Raumwechsel. Dadurch kann dein Sohn eventuell besser runterkommen. Setzt euch erst mal in der Küche an den Tisch, biete etwas zu essen oder zu trinken an. Vielleicht will er nicht unbedingt in dem Moment über die Situation reden. Das ist okay – aber wenn es so häufig vorkommt, dass er euch haut, solltet ihr in einem ruhigen Moment auf jeden Fall noch mal das Gespräch suchen. Für den Moment reicht dann meist ein „Ich glaube, dir ist klar, dass Hauen nicht okay, ist, hm? Ich möchte gern später noch mal mit dir darüber reden.“

Zu einem Zeitpunkt, an dem euer Sohn gerade gut aufnahmefähig ist, könnt ihr dann besprechen, was man machen kann, um seine Wut auszudrücken, ein Bild malen und richtig doll mit den Stiften aufdrücken und dann zeigen, wie ärgerlich er ist zum Beispiel. Vor allem aber braucht er konkrete Lösungen für die Situationen, die ihn so wütend machen. Schreib vielleicht mal ein paar Tage lang auf, in welchen Situationen er anfängt, euch zu hauen. Hat er genug Mitbestimmungsmöglichkeiten? Wird er gehört?

Man muss allerdings auch nicht jedes Mal über jede Situation reden. Den Kindern ist – gerade im Alter deines Sohnes – meist sehr klar, dass ihr Verhalten nicht in Ordnung war. Sie schaffen es aber trotzdem nicht immer, sich zurück zu halten. Ich glaube, dass gerade bedürfnisorientierte Eltern oft versuchen, Probleme mit Reden zu bearbeiten. Und während es wichtig ist, unseren Kindern zuzuhören, um eventuell Gründe zu erfahren, die uns so gar nicht klar waren, können wir manches eben einfach auch nicht zerreden. Wenn Kinder nämlich das Gefühl haben, ständig zur Rede gestellt zu werden, sehen sie sich bald auch als Störenfriede – und verhalten sich dementsprechend. Das ist das, was Jesper Juul als „Kooperation“ bezeichnet hat – das Kind entspricht den Erwartungen. Manchmal ist wirklich die Devise: Weniger reden, mehr handeln. Also: Situation unterbrechen, eventuell (gemeinsamen!) Raumwechsel, abkühlen.
Es kann auch sein, dass es ihm noch an emotionaler Reife fehlt. Vier ist noch ziemlich jung, wirklich viel Impulskontrolle ist noch nicht da, das ist völlig normal. Wie gut kann er sich denn in andere hineinversetzen? Ihr könnt beim Lesen z.B. noch mal genauer darauf eingehen, was für Gesichtsausdrücke die Personen auf den Bildern haben oder (wenn es wieder geht) auf dem Spielplatz andere Kinder beobachten und so ein emotionales Vokabular aufbauen. Wenn ihr seine Gefühle spiegelt (ihm in kurzen, prägnanten Worten sagen, wie er sich gerade fühlt, die Stimmlage sollte sich dabei auch seinen Gefühlen anpassen), solltet ihr auch genau darauf achten, wie es ihm gerade gehen könnte. Kinder sind nicht immer nur wütend, sondern auch enttäuscht, verärgert, ärgerlich, sauer, fühlen sich unfair behandelt, gekränkt. Wenn ihr das konsequent macht, werdet ihr wahrscheinlich irgendwann feststellen, dass er sehr differenziert ausdrücken kann, wie es ihm gerade geht.

Auch im Rollenspiel mit verschiedenen Puppen könnt ihr diese emotionalen Ausdrücke üben. Vielleicht findet ihr ja auch spezielle Bücher oder Filme, die sich um Gefühle drehen?
Wichtig ist es auf jeden Fall – und ich weiß, wie schwer das ist! -, dass ihr seiner Wut nicht mit noch mehr Wut begegnet, sondern mit Verständnis (ausgedrückt im „Spiegeln“), aber eben auch der Klarheit „Stopp – das ist nicht okay“. In ihm ist Chaos und eure Wut hilft ihm einfach nicht heraus. Dadurch hat er möglicherweise das Gefühl, mit seinen Gefühlen allein zu sein und das lässt die Wut nur noch mehr wachsen.
Wenn du den Eindruck hast, dass es wirklich gar nicht mehr besser wird und es sich zu sehr aufschaukelt, sucht euch bitte eine Unterstützung oder professionelle Beratung. Manchmal stecken auch Gründe dahinter, auf die man einfach selbst nicht kommen würde und jemand, der oder die euch kennen lernt und real erlebt, kann vielleicht noch etwas sehen, das ihr übersehen habt.

Ich wünsche euch alles Gute,

Anna

Tags: Aggressivität, bedürfnisorientiert

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