
Kommunikation mit Kindern
On 26.10.2019 by annaWie können wir mit Kindern reden, damit sie uns zuhören? In diesem Artikel stelle ich verschiedene Techniken kluger Menschen vor: Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg, Kommunikationsstrategien nach Adele Faber, Beziehungsgespräche nach Jesper Juul
„Wie oft habe ich dir jetzt schon gesagt, dass…“ „Muss ich denn immer erst laut werden?“ „Wenn du jetzt nicht hörst, dann…“ Wenn wir uns vorstellen, dass wir mit Erwachsenen so reden würden wie mit Kindern, wird ziemlich schnell klar, wie unangenehm das manchmal sein muss. Wer hört schon gern zu, wenn ständig genörgelt und gemeckert und zurechtgewiesen wird? Dass freundliche Bitten und klare Ich-Botschaften sinnvoller sind, ist vielleicht auch vielen klar, aber dennoch fehlen manchmal Alternativen.
Wenn das Kind einfach nicht hören will, was können wir denn dann tun? Und ja, auch wenn wir grundsätzliche eine Ja-Umgebung schaffen, wenn wir uns aussuchen, worüber wir wirklich diskutieren wollen, wenn wir unseren Kindern viele Freiheiten lassen und selbst viel kooperieren wird es Punkte geben, an denen sich die Kinder quer stellen. Das stresst. Das stresst vor allem deswegen, weil wir uns hilflos fühlen. Aber dieses Gefühl der Hilflosigkeit kommt aus unserer Kindheit – in der wir maßgeregelt, ausgeschimpft oder vielleicht auch emotional erpresst wurden. Wenn wir das nicht an unsere Kinder weitergeben wollen, haben wir einen ziemlich anstrengenden Weg vor uns. Aber einen, der sich lohnt.

Kurz vorher noch mal als Disclaimer: Ich habe viele, viele Bücher zum Thema Kommunikation mit Kindern gelesen. Ich weiß relativ gut Bescheid über die Entwicklung, ich weiß ungefähr, was man wann von Kindern erwarten kann, ich kenne viele Techniken, um ruhig zu bleiben. Und trotzdem schaffe ich es nicht immer. Das Ziel dieses Artikels ist auch nicht, dass wir immer „korrekt“ mit unseren Kindern reden, sondern das Ziel ist es, eine Toolbox zusammen zu stellen. Alternativen zu zeigen. Einfach, um unser Repertoire zu vergrößern. Sodass wir vielleicht einmal mehr gelassen bleiben können.
Wir müssen gar nicht immer richtig reagieren. Das Tolle am Leben mit Kindern ist, dass wir viele Chancen haben. Wenn wir eine versemmeln, können wir einfach noch mal von vorne starten. Sogar direkt in der Situation. „Okay, das war kacke von mir. Hast du auch gemerkt, oder? Ich war echt sauer. Aber es ist nicht okay, dir zu drohen. Entschuldige bitte. Lass uns noch mal von vorne starten.“ oder auch einfach „Okay, Reset.“. Denn was uns als Erwachsene am meisten belastet, sind die Schuldgefühle. Wir dachten als Kinder, dass WIR schlecht seien. Wir hielten unsere Eltern für unfehlbar, wenn sie uns also anschrieen, dann mussten wir wirklich etwas falsch gemacht haben. Wenn wir als Eltern uns jetzt aber entschuldigen, wenn wir wirklich falsch reagiert haben, dann nehmen wir unseren Kindern diese große Last von den Schultern, zu glauben, dass sie oder ihre Gefühle nicht richtig seien. Und wir zeigen ihnen: Niemand ist perfekt. Man muss auch nicht perfekt sein. Fehler machen ist okay. Man sollte nur dazu stehen. Wenn ihr vielleicht selbst eine schwierige Kindheit hattet, bei der eure Eltern vielleicht auch wirklich massive Fehler gemacht haben: Was würde sich für euch verändern, wenn sie auf euch zukommen würden und sich ehrlich und aufrichtig entschuldigen würden? Ich glaube, selbst dann noch würde es eine große Last von euch nehmen. Ich gehe davon aus, dass die meisten, die meine Artikel lesen, eher keine massiven Fehler machen. Aber selbst wenn: Es ist niemals zu spät, um umzukehren. Wir können nicht alles wieder gut machen. Aber wir können es immer besser machen als vorher. Und das ist doch auch ziemlich tröstlich, oder?
Gewaltfreie Kommunikation (GfK) nach Marshall Rosenberg
Marshall Rosenbergs Geschichte ist eine bewegende. Er hat in klinischer Psychologie promoviert, seine Gedanken zur gewaltfreien Kommunikation entstanden während der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung in den 1960ern. Er unterstützte Schulen dabei, die Rassentrennung aufzuheben, er vermittelte im Krisengebiet in Palästina und hielt Vorträge auf der ganzen Welt. Die GfK wurde entwickelt für alle Arten von Konflikten, von kleinen Diskussionen im Privaten bis zu politischen Krisen oder Kriegssituationen. Es ist absolut beeindruckend, Mitschriften von Gesprächen mit Rosenberg zu lesen. Es gab keinen Konflikt, den er nicht friedlich besprechen konnte. Ich glaube, die Welt wäre wirklich eine bessere, wenn mehr Menschen sich zumindest in Grundzügen an die GfK halten würden.

Ich finde den Begriff gewaltfreie Kommunikation“ an sich aber tatsächlich etwas schwierig, weil das im Umkehrschluss ja bedeuten würde, dass alles, was nicht „GfK-konform“ ist Gewalt ist. Und auch wenn ich dem im Groben oft zustimmen kann, so ruft allein diese Bezeichnung oft Schuld- und Abwehrgefühle hervor. GfK ist eine Methode. Sie läuft nach einem Vier-Schritte-Programm ab. Manchmal wirkt GfK (meiner Erfahrung nach) in der alltäglichen Kommunikation etwas steif und unnatürlich, was aber vielleicht auch daran liegt, dass wir grundsätzlich nicht sonderlich gut kommunizieren und es nicht gewohnt sind, von Bedürfnissen zu sprechen. Sie ist auch kein Allheilmittel, das, wenn wir es nur richtig anwenden, andere dazu bringen wird, zu tun, was wir wollen (das wäre auch genau das Gegenteil von dem, was sie bezwecken will). Am Wichtigsten ist, dass die Intention dahinter steht, andere wirklich verstehen zu wollen. Ich habe aber festgestellt: Sobald man sich mal etwas genauer mit GfK beschäftigt hat, bemerkt man die „gewaltvolle“ Sprache im Alltag. Schon das bewirkt unheimlich viel!
GfK mit Kindern
Eine Grundannahme der GfK sind, dass hinter unseren Worten und Handlungen immer Bedürfnisse stehen. Die Einfühlung in die Bedürfnisse anderer, aber auch Selbstempathie für unsere eigenen Bedürfnisse ist ein wichtiger Baustein bei der Kommunikation. Rosenberg ging davon aus, dass Menschen immer die Verbindung suchen und solange ihre Grundbedürfnisse erfüllt sind auch immer bereit sind, etwas für andere zu tun.
In der GfK wird auf folgende Punkte geachtet, um die Verbindung zwischen Menschen aufrecht zu erhalten:
- Keine Verurteilungen und Vergleiche: Dazu gehören Attribute wie gut/schlecht, gerecht/ungerecht, wenn sie eine moralische Bewertung des Verhaltens anderer darstellen. Es ist durchaus GfK-konform, für sich selbst ein Verhalten zu bewerten, aber im Bezug auf die eigenen Gefühle. Aber eine Bewertung ist kein Gefühl; ich „fühle“ mich nicht geärgert, sondern ich bin verärgert.
- Übernahme der Verantwortung: Wir haben immer die Verantwortung für unsere Gefühle und Handlungen. Also kein „Weil du mich provozierst, fühle ich mich …“ oder „Ich muss das tun, weil das die Regeln sind.“
- Bitten statt Forderungen: Der Unterschied ist, dass man bei einer Forderung nicht die Möglichkeit hat, Nein zu sagen. Sie ist also mehr ein Befehl.
Spannend zu beobachten ist immer wieder, wie sehr sich Kommunikation mit (freundlichen) Fremden manchmal unterscheidet zu der mit Menschen, die wir lieben und mit denen wir zusammen wohnen. Haben wir beispielsweise den netten Nachbarn zu Besuch und ihm fällt aus Versehen das Wasserglas um, springen wir meist sofort auf, um ein Tuch zu holen. Passiert den Kindern das selbe, wird geschimpft. Natürlich müssen wir nicht in jeder Situation absolut GfK-konform handeln – in besonders akuten Situationen (das ständig angeführte Beispiel, in dem das Kind auf die Straße zurennt oder wenn es einem anderen die Schippe über den Kopf zieht) müssen wir natürlich erst mal unsere schützende Gewalt ausüben. Allerdings können wir die Situation dann hinterher gewaltfrei aufarbeiten.
Wie funktioniert nun die GfK?
GfK läuft nach vier Schritten ab.
- Die Beobachtung: Die Situation wird wertfrei beschrieben („Ich sehe, dass deine Jacke auf dem Flur liegt“)
- Das Gefühl: Welches Gefühl ruft diese Situation in mir hervor? („Das ärgert mich, weil ich es nicht mag, wenn im Flur etwas herumliegt.“, es findet hier keine Bewertung statt „wenn du deine Sachen herumfliegen lässt“, sondern ich bleibe bei mir selbst)
- Das Bedürfnis: Jetzt müssen wir erkennen, welches Bedürfnis eigentlich hinter unserem Wunsch steht. Das ist manchmal ganz schön schwierig und gar nicht so eindeutig! („Ich möchte, dass Kleidung pfleglich behandelt wird.“ könnte das sein oder „Ich möchte, dass es hier sauber aussieht.“ oder „Ich habe Sorge, dass jemand darüber stolpern könnte.“)
- Die Bitte: Jetzt können wir konkret eine Bitte stellen. Das muss nicht bedeuten, dass das Gegenüber genau so handelt, wie wir uns das selbst ausgemalt hätten, aber es geht hier nicht um konkrete Handlungen, die wir vorschreiben, sondern darum, dass unser Bedürfnis erfüllt wird. („Bitte häng deine Jacke auf den Haken.“)
Kompakter können wir auch sagen: „Wenn ich [Beobachtung] sehe, fühle ich [Gefühl], weil ich [Bedürfnis] brauche. Deshalb möchte ich gern [Bitte].“ Wir äußern also immer Ich-Botschaften und setzen auf die Kooperationsbereitschaft. Wird das immer funktionieren? Sicher erst mal nicht. Es gibt Gründe, aus denen Kinder manchmal nicht kooperieren. Und gerade wenn wir unsere Kommunikation „umstellen“, müssen sie sich erst mal daran gewöhnen, plötzlich tatsächlich die freie Wahl zu haben. Das bedeutet nicht, dass wir dann immer für unser Kind die Jacke aufheben müssen, wenn es unserer Bitte nicht nachgeht, aber bei der GfK muss man tatsächlich damit leben, dass auf die Frage auch mal ein „Nein“ zurück kommt.
Aber genau dann ist es wichtig, hinzuspüren, warum genau ein Nein kommt. Ich habe kommuniziert, was ich brauche, aber was braucht denn mein Kind? Das einfühlende Zuhören ist ein ganz wichtiger Bestandteil der GfK. Zeigen wir, dass wir wirklich an der Gefühlswelt anderer interessiert sind, werden wir die Situation aber für beide Seiten befriedigender lösen können als mit Zwang und Druck.
Das einfühlende Zuhören läuft auch wieder nach den vier Schritten ab:
- Die Beobachtung: Wir können nicht in den Menschen hineinschauen, aber zumindest Vermutungen anstellen über das, was die Auslöser ihres Verhaltens sind. („Du hast gehört, dass ich gern wollte, dass du die Jacke aufhängst.“).
- Das Gefühl: Auch hier versuchen wir, uns einzufühlen. Damit liegen wir nicht unbedingt immer richtig, aber manchmal bekommen wir dann darauf die richtige Antwort. („Das ärgert dich.“)
- Das Bedürfnis: Welches Bedürfnis steht dahinter, dass das Kind der Bitte nicht nachkommen kann? („Du möchtest lieber noch kurz ein Glas Wasser trinken/etwas essen/zu Ende spielen“)
- Die Vermutung über die Erwartung: Was würde dem Kind jetzt vielleicht helfen, der Bitte nachkommen zu können? („Du möchtest, dass ich noch kurz warte, bis du fertig bist.“)
Wenn Kinder spüren, dass wir sie wirklich verstehen wollen, sind sie erstaunlich kooperativ, auch wenn wir das vorher vielleicht nicht gedacht hätten. Es lohnt sich, sich näher mit GfK zu beschäftigen (zum Beispiel mit dem Podcast von Kathy Weber, in dem sie auch viele konkrete Situationen beschreibt). Und wie gesagt: Es geht gar nicht darum, dass wir immer absolut nach GfK kommunizieren, aber dass wir etwas mehr auf unsere Worte achten und darauf, was die Bedürfnisse hinter den Worten und Handlungen sind.
GfK mit Kindern üben
Für die Verdeutlichung werden bei GfK-Kursen oft Handpuppen verwendet. Der Wolf steht für die gewaltvolle Sprache, die Giraffe für die gewaltfreie Kommunikation. Gerade wenn man mit Kindern explizit über GfK spricht, können Handpuppen helfen (es reichen aber auch selbstgezeichnete Figuren). Auch wenn man noch mal einen Kommunikations-Neustart machen möchte, finde ich diese Bilder praktisch. „Puh, da hat gerade der Wolf gesprochen. Sollen wir vielleicht noch mal die Giraffe fragen?“.
Beziehungsgespräch nach Jesper Juul
Der dänische Familientherapeut Jesper Juul hat mit seinen Büchern viele Menschen erreicht und bewegt. Juul distanziert sich sowohl von der autoritäten Erziehung, bei der die Eltern bestimmen, wie es in der Familie zu laufen hat, als auch von der antiautoritären/demokratischen Elternschaft, bei der nach seinem Empfinden die pädagogische Verantwortung auf die Kinder übertragen wird. Ihm geht es darum, wirklich zu erfahren: Wer bin ich? Wer ist mein Kind? Sein Ansatz ist (unter anderem) beeinflusst durch die systemische Therapie, bei der immer die Gesamtheit des Umfelds betrachtet wird, statt nur isoliert das Verhalten eines bestimmten Menschen.
Jesper Juuls Ansatz basiert auf folgenden Prinzipien:
- Das kompetente Kind. Juul sieht Kinder als vollwertige Menschen an. Wir müssen sie nicht formen und erziehen, damit sie sich „richtig“ verhalten, sondern „zu einer Form des Dialogs finden, den viele Erwachsene auch untereinander nicht beherrschen.“
- Gleichwürdigkeit. Kinder sind uns Erwachsenen nicht gleichgestellt, aber sie verdienen es, dass sie mit Respekt behandelt und ihre Würde gewahrt wird. Jesper Juul geht davon aus, dass die Kommunikation der Eltern untereinander und mit dem Kind dazu beitragen, welche sozialen Kompetenzen ein Kind entwickelt.
- Kooperationsbereitschaft und Integrität. Kinder wollen immer kooperieren. Das bedeutet nicht unbedingt, dass sie immer tun, was wir wollen, aber dass sie sich immer den Umständen entsprechend verhalten. Sie sind unser Spiegel. Mit ihrem Verhalten wollen sie uns Eltern zeigen, wie es ihnen geht. Wird die Integrität eines Kindes verletzt, wird es sich entweder selbst verletzend verhalten oder übermäßig kooperativ. Wenn wir also destruktives Verhalten beim Kind verstehen wollen, müssen wir dabei immer auch die Familiendynamiken betrachten.
- Selbstgefühl und Selbstvertrauen. Jesper Juul unterscheidet zwischen Selbstgefühl und Selbstvertrauen. Selbstgefühl entwickelt sich dadurch, dass ein Kind gesehen wird, statt bloß beobachtet. Wie groß das Selbstgefühl ist, hängt davon ab, wie sehr das Kind es selbst sein darf im Familiengefüge. Selbstvertrauen sieht Juul als etwas, das durch die Anerkennung der Leistung des Kindes entsteht. Juul beobachtete bei vielen Kindern, dass sie viel gelobt wurden für ihre Leistungen, aber trotzdem ein geringes Selbstgefühl hatten. Wird das Kind erzogen durch Ermahnungen, Strafen, Anweisungen oder Erklärungen, wird dabei die Leistung modifiziert, verliert das Kind sein Selbstgefühl. Kinder lernen durch Nachahmung, sie beobachten und müssen sich ausprobieren können. Wird es ständig bewertet oder ihm wird erklärt, wie etwas richtig geht, fühlt sich das Kind dumm und falsch, selbst wenn der Ton freundlich ist.
Jesper Juuls Kommunikation basiert auf gegenseitigem Respekt. Dennoch ist er sehr klar in den Ansagen, die er vorschlägt. Manche empfinden ihn deswegen zu autoritär, allgemein wird er pädagogisch eher in die autoritative Richtung einsortiert. Seine oft konkreten Vorschläge sind jedenfalls in der Wortwahl für mich immer sehr hilfreich gewesen. Hier einige Beispiele:
- Ich-Botschaften: Für Jesper Juul ist es wichtig, bei sich zu bleiben, statt mit dem Kind zu schimpfen, auch wenn der Ton durchaus mal verärgert sein kann, das ist sogar wichtig. Es wird nichts bringen, pädagogisch korrekt zu säuseln. Juul setzt auf klare Ich-Botschaften statt unreflektiertes Geschrei. „Ich mag es nicht, wenn ihr so laut und brutal streitet, ich habe das Gefühl, ich muss euch helfen. Ich würde gern zwei Dinge von euch wissen: Braucht jemand meine Hilfe? Was kann ich besser machen?“ oder „Ich mag es nicht, wenn du mich ‚blöder Papa‘ nennst, aber du kannst mir gern sagen, was ich nicht zu verstehen scheine.“
- Nein-Aussagen: Wenn das Kind fragt, ob es etwas haben/tun kann, aber für uns von vornherein fest steht, dass wir das nicht wollen (z.B. die sowieso teureren Süßigkeiten in einzelnen Plastikverpackungen in der Quengelzone im Supermarkt), empfiehlt Juul ein klares Nein – und dann einfach weiter dem Tagesablauf nachzugehen. Meistens fragen Kinder dann nämlich auch gar nicht erst weiter nach. Dafür brauchen wir allerdings eine innere Klarheit. Kinder spüren sehr gut, wenn wir uns eigentlich unsicher sind in unseren Aussagen. Jesper Juul empfiehlt, beim Nein zu bleiben, egal, was das Kind macht. Quengelt das Kind weiter, würde Juul vielleicht (in etwa) so regieren: „Hör mal, ich habe bereits Nein gesagt. Ich möchte jetzt keine Süßigkeiten kaufen, weil es gleich Abendessen gibt. Aber was hältst du davon, wenn wir morgen zusammen Kekse backen?“ Und wenn das Kind dann wütet, müssen wir diese Gefühle aushalten.
- Auswahl geben: Juul steht für ein klares Nein, wenn es nötig ist. In vielen Situationen ist es aber auch sinnvoll, das Kind wählen zu lassen. Es geht also nicht darum, ob das Kind einen Pullover anziehen will, sondern „Willst du den blauen oder den grünen Pullover anziehen?“ Auswahl gibt (kleinen) Kindern das Gefühl der Selbstbestimmung und macht sie kooperativer.
- Auf das Bedürfnis schauen: Wenn Kinder sehr quengelig sind, vielleicht immer wieder zu einem kommen und nach diesem oder jenem fragen, müssen wir uns nicht unbedingt fragen, ob wir das jetzt erlauben müssen. Juul empfiehlt, dann zu sagen: „Du fragst mich nach lauter Dingen, die du nicht wirklich brauchst. Weißt du, was du wirklich von mir willst?“Und wenn das Kind das nicht weiß, können wir Vorschläge machen. „Willst du gern noch ein bisschen kuscheln, bevor es ins Bett geht?“
Für Situationen, in denen man sich als Familie verrannt hat, schlägt Jesper Juul oft eine Art Beziehungsgespräch vor. Dabei sollen sich die Eltern mit dem Kind bei Kakao und Keksen an den Tisch setzen (manchmal schlägt Jesper Juul auch vor, dass man die gesamte Familie um Mitternacht aus dem Bett trommelt; wie ernst er das meint, konnte ich nicht so richtig rauslesen, persönlich würde ich aber so ein Gespräch eher wählen, wenn alle ausgeschlafen und satt sind). Und dann soll es ehrliche, klare Worte der Eltern geben. „Schau mal, in den letzten Wochen ist hier ziemlich viel schief gelaufen. Wir haben den Eindruck, dass […]. Deswegen werden wir ab jetzt […].“ Man kann die Kinder auch fragen, ob sie eigene Lösungsvorschläge haben. Nach Juul ist dieses Beziehungsgespräch aber letztendlich doch sehr klar von den Eltern geführt. Es geht darum, dass wir als Eltern erkennen, wann wir unserem Kind vielleicht auch zu viel Verantwortung aufgebürdet haben und dass wir nicht ein „falsches“ Verhalten des Kindes ändern wollen, sondern als Familie eine neue Richtung einschlagen wollen.
Familienkonferenz nach Thomas Gordon
Gute Kommunikation muss nicht unbedingt allen Punkten der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg entsprechen. Gute Kommunikation bedeutet vor allem, dass die gegenseitige Wertschätzung und der Respekt füreinander im Mittelpunkt stehen. Das gilt für Kinder, aber eben auch für Erwachsene.
Ich finde es wichtig, den Kindern von Anfang an mitzugeben, wie gute Kommunikation aussieht. Eine Technik, um im Alltag wertschätzend miteinander über Bedürfnisse reden zu können, ist die Familienkonferenz nach Gordon. Man kann sie prinzipiell ab etwa drei Jahren anwenden, wenn das Kind sich einigermaßen sprachlich ausdrücken kann, allerdings finde ich es sinnvoll, schon vorher ein Ritual daraus zu machen. Das Wichtigste dabei: Alle Meinungen, alle Wünsche, alle Bedürfnisse zählen gleich viel. Neue Regeln oder Regelungen werden von allen gemeinsam beschlossen.
So läuft die Familienkonferenz ab:
- – Die Familie trifft sich regelmäßig zu einer festgesetzten Zeit, zum Beispiel einmal die Woche Sonntag morgens. Allerdings kann die Familienkonferenz auch aus akutem Bedarf spontan einberufen werden – von allen Familienmitgliedern. Es sollten auch alle dabei sein!
- – Wenn die Kinder noch kleiner sind, ist die Familienkonferenz kürzer. Unsere Kinder können sich jetzt mit 4 und 6 Jahren schon etwa eine halbe Stunde lang darauf konzentrieren, wird es länger, zappeln alle schon auf den Stühlen ;).
- – Alle Familienmitglieder werden mit ihren Ideen und Wünschen angehört. Sie können Probleme offen ansprechen; alle anderen hören zuerst zu und reagieren nicht direkt.
- – Wird eine Entscheidung getroffen, müssen alle Familienmitglieder damit einverstanden sein. Nur in Ausnahmefällen gibt es eine Mehrheitsentscheidung.
- – Es gibt eine*n Vorsitzende*n, der oder die die Konferenz leitet und moderiert. Auch diese Stimme zählt genauso viel wie die der anderen und der Vorsitz geht reihum, auch an Kinder.
- – Die zusammen erarbeitete Lösung wird bis zur nächsten Konferenz angewandt (es sei denn, sie ist absolut undurchführbar) – erst dann wird rekapituliert und ggf. angepasst.
All diese „Regeln“ dürfen selbstverständlich angepasst werden an die eigenen Bedürfnisse. Was wir uns aber generell als Paar oder Familie angewöhnen sollten, ist eine gute, wertschätzende Kommunikationskultur. Regelmäßige Termine, bei denen die gute Kommunikation im Vordergrund steht, können (nach einer Weile) helfen, auch im Alltag respektvoller und liebevoller miteinander zu sprechen.
Bindungsspiele nach Aletha J. Solter
Ausführlicher habe ich die Bindungsspiele hier und hier vorgestellt.

Aletha J. Solter beschreibt darin sogenannte Bindungsspiele, die wir nutzen können, um wieder mit unserem Kind in Verbindung treten zu können. Kinder erleben sich im Alltag immer wieder als machtlos. Dabei geht es gar nicht unbedingt nur darum, dass wir Erwachsene sie immer wieder zu etwas zwingen würden, auch wenn die erforderliche Kooperation bei den alltäglichen Aufgaben auch mit hinein spielt. Kinder sind einfach kleiner als wir, weniger erfahren, kommen an bestimmte Schubladen oder die Lichtschalter nicht heran, müssen sich an soziale Regeln halten, die, auch wenn sie sie verstehen, anstrengend sind, können manche Dinge einfach noch nicht selbst bestimmen. All das passiert auf ganz natürliche, gar nicht unbedingt gewollte Weise, im Alltag und fügt unseren Kindern kleine Verletzungen zu. Es geht hier nicht darum, all das als schlimm darzustellen, das ist es nicht und unsere Kinder kommen normalerweise auch gut damit zurecht. Allerdings stauen sich all diese kleinen Verletzungen auf – und am Ende des Tages sagen Kinder eben nicht „Boah, ich hatte echt einen anstrengenden Tag, können wir vielleicht miteinander reden?“ – sie randalieren, sperren sich gegen uns, „hören nicht“. Wenn wir viel Glück haben, sagen sie sogar direkt „Spiel mit mir!“.
Der zentrale Punkt der Bindungsspiele, ist dass das Kind Spaß hat und zum Lachen angeregt wird. Lachen entlädt angestaute Wut genauso wie zum Beispiel Schreien – nur dass wir uns hinterher besser fühlen (was nicht heißt, dass unsere Kinder nie wieder schreien werden). Deshalb ist es wichtig, das Spiel sofort zu unterbrechen, wenn das Kind Angst bekommt oder nicht mehr mitspielen will.
Die Bindungsspiele kommen eigentlich aus der Spieltherapie, wir können sie aber auch mit unseren Kindern anwenden. Nicht, um sie zu therapieren, sondern einfach als Einladung zur Kommunikation. Wenn wir übrigens in unserer Elternschaft nicht weiterkommen oder das Kind eine traumatische Situation erlebt hat, die es nachhaltig belastet, ist es übrigens immer sinnvoll, sich Unterstützung zu suchen! Euer Kinderarzt oder eure Kinderärztin empfiehlt euch sicher gern eine*n Therapeut*in und in vielen Städten gibt es auch Famylab-Familienberater*innen nach Jesper Juul.
Arten von Bindungsspielen
- Nicht-direktive, kindzentrierte Spiele: Dabei laden wir das Kind ein, mit uns zu spielen, zum Beispiel mit Figuren, die unsere Familienkonstellation darstellen. Wir reagieren dabei nur auf die Vorgaben des Kindes und zeigen Akzeptanz für alles, was das Kind vorgibt.
- Symbolspiele: Hier nutzen wir Requisiten, die ein Problem symbolisieren. Das kann zum Beispiel ein kleiner Spielzeughund sein oder ein Zahnarztspiegel. Wir können die Situation zum Beispiel umdrehen und spielen, dass der Hund riesengroße Angst vor dem Kind hat, aber so übertrieben, dass das Kind zum Lachen gebracht wird. So können sich Ängste lösen.
- Kontingenzspiele: Kontingenzspiele sind kleine Spielereien, die wir in den Alltag einbauen können und die immer gleich bleiben. Zum Beispiel, dass wir laut piepsen, wenn uns das Kind auf die Nase tippt. Sie geben dem Kind das Gefühl, etwas bestimmen zu können und helfen, wenn es gerade sehr viel kooperieren muss.
- Nonsensspiele: Wenn ein Problem immer wieder auftaucht – dann ist es nicht das Problem. Dann steckt etwas anderes dahinter. Und sehr häufig erwarten wir Mitarbeit von unseren Kindern, wenn ihre Kooperationsbereitschaft eigentlich schon erschöpft ist. Gerade Nonsensspiele nutze ich dann sehr gern, um die Situation wieder aufzulockern. Dabei machen wir genau das Gegenteil von dem, was wir eigentlich wollen. Wir verbieten dem Kind zum Beispiel mit übertrieben strenger Miene, sich die Socken anzuziehen. Oder wir putzen ganz selbstverständlich mit der Zahnbürste die Fingernägel (wobei ich das aus hygienischen Gründen nur andeute ;)).
- Trennungsspiele: Bei den Trennungsspielen geht es weniger um das Verschwinden, als vielmehr darum, den Kindern zu zeigen, dass wir danach wieder auftauchen und zusammen eine Menge Spaß haben können. Ein klassisches Trennungsspiel ist das Verstecken. Vielen Kindern helfen die Trennungsspiele vor allem in der Zeit der Kita-Eingewöhnung oder vor einer längeren Trennung von den Eltern.
- Machtumkehrspiele: Bei den Machtumkehrspielen tun wir so als wären wir besonders schwach oder ungeschickt. Unsere Kinder dürfen uns erschrecken, umschubsen (besonders witzig, wenn sie dafür nur den kleinen Finger brauchen), mit Kissen abwerfen oder mit Gummitieren erschrecken. Bei Machtumkehrspielen scheint sich Aletha J. Solter oft unverstanden gefühlt zu haben. Sie betont, dass es nicht darum geht, dass das Kind durch diese Spiele aggressiver wird, sondern dass es einen sicheren Rahmen für seine Aggressivität hat, diese aber nach den Spielen nachlässt und es kooperationsbereiter ist. Es hat die Möglichkeit, Machtlosigkeit, Frustration und Wut im Spiel zu verarbeiten. Das Lachen steht im Vordergrund, nicht der Kampf.
- Regressionsspiele: Bei den Regressionsspielen geht es also darum, das Kind so zu behandeln als wäre es deutlich jünger, zum Beispiel ein Baby. Wir können das Kind in den Arm nehmen und mit einem Fläschchen füttern oder es wiegen, es vielleicht eine Weile lang im Tragetuch tragen oder im Kinderwagen schieben. Wir können ihm so Geborgenheit schenken, wie wir sie Babys geben – und unser Kind wird sich geborgen und geliebt fühlen. Damit geben wir unserem Kind sozusagen eine kleine Pause vom Groß-Sein, ein kurzes Versichern, dass die Wurzeln noch tief in der Erde sind. Gehen wir darauf ein, kann es die Flügel oft schnell wieder ausbreiten. Manche Kinder fordern die Regressionsspiele von sich aus ein, wenn ein neues Geschwisterchen geboren wurde. Darauf einzugehen hilft ihnen mehr, als ihnen zu versichern, dass sie ja schon so groß wären!
- Spiele mit Körperkontakt: Auch größere Kinder können noch Körperkontakt brauchen. Manchmal zeigen sie das, indem sie sich an uns klammern. Eltern neigen dann manchmal dazu, die Kinder wegzuschieben, die Kinder sollen auf eigenen Beinen stehen und wenn Kinder an einem hängen, kommt man nicht gut voran. Hilfreicher ist es oft, das dann zu einem Spiel zu machen. Wie schnell kann ich laufen, wenn mir ein Kind am Bein hängt? Kannst du auf meinen Füßen stehen, wenn ich laufe? Wollen wir Hoppereiter spielen, so wie früher? Bei Körperkontakt wird Oxytocin ausgestoßen – und das tut uns allen gut. Auch den Erwachsenen.
„So sag ich’s meinem Kind“ von Adele Faber
Adele Faber und Elaine Mazlish haben viele Elternkurse zur besseren Kommunikation mit Kindern geleitet und ihre Erfahrungen in einigen Büchern aufgeschrieben. „So sag ich’s meinem Kind“ würde ich als einen Mix aus GfK, Bindungsspielen und kreativer Gesprächsführung bezeichnen. Für mich war es sehr wertvoll, dieses Buch zu lesen. Durch die Comics, in denen Gesprächssituationen abgedruckt sind, werden die Tipps sehr greifbar gemacht. Ich versuche hier, die zahlreichen Tipps etwas zusammenzufassen.
- – Mit voller Aufmerksamkeit zuhören, statt nur halb zuhören: Zugewandte Körperhaltung, manchmal reicht mitfühlendes Schweigen
- – Verständnis für die Gefühle zeigen, statt mit Ratschlägen und Fragen zu reagieren: Kleine Äußerungen wie „Oh?“ oder „Hm?“ reichen oft aus, um Kinder weiter zum Sprechen zu bewegen
- – Gefühle benennen, statt sie zu leugnen: „Das hat dir sehr weh getan!“ statt „Das vergeht gleich wieder.“
- – Den Wünschen in der Phantasie nachgeben, statt mit Erklärungen und Logik zu antworten: Kinder haben viele Wünsche. Es ist für sie meist total in Ordnung, wenn den Wünschen gar nicht sofort stattgegeben wird. Manchmal hilft es, einfach in der Phantasie herumzuspinnen, wie es wohl wäre, wenn man tatsächlich ALLE Süßigkeiten kaufen würde. Oder wenn die ganze Welt aus Süßigkeiten bestünde.
- – Beschreibungen statt Schuldzuweisungen: Gehen wir immer vom Besten aus. Auch wenn ein Kind zum Beispiel immer seine nassen Handtücher auf dem Bett liegen lässt, können wir erst mal davon ausgehen, dass es einfach ein Versehen oder eine Nachlässigkeit war – nicht, um uns zu ärgern. Es reicht also oft zu sagen „Ich sehe, dass das Handtuch auf dem Bett liegt.“. Oder einfach „Handtuch“. Reicht das nicht, können wir unsere Gefühle ansprechen. „Ich schlafe nicht gern in einem nassen Bett.“ Eine andere Idee ist es, einen (witzigen) Zettel zu schreiben „Häng mich bitte zurück!“.

Alle Gefühle dürfen sein – aber manche Handlungen müssen beschränkt werden. Wir können Kindern Alternativen bieten, die akzeptabel sind. Wenn ihre Gefühle an sich okay sind, werden sie viel eher dazu bereit sein, sich auf uns einzulassen.
„Der Zauber guter Gespräche“ von Ulrike Döpfner
Ulrike Döpfner gibt mit dem Buch einen Überblick über gute Kommunikation. Ihr Ansatz ist bedürfnisorientiert, sie zitiert Jesper Juul und hat sich viel mit gewaltfreier Kommunikation beschäftigt. Im letzten Teil des Buchs gibt es viele Anregungen für Fragen, die man Kindern stellen kann und die über ein „Wie war’s?“ hinaus geben.

Für eine gute Gesprächsgrundlage gibt sie folgende Tipps:
- – Dann drüber sprechen, wenn es akut ist – Kinder am besten nicht vertrösten
- – Emotional auf das Gespräch einlassen, offen sein, auch mit negativen Rückmeldungen rechnen, Aussagen nicht persönlich nehmen
- – Geistig auf das Gespräche einlassen; das Handy bleibt aus
- – Im Alltag grundsätzlich Vertrauen etablieren, indem man sich aufnahmebereit zeigt, wenn die Kinder Gespräche suchen, nicht sofort losschimpft, zuverlässig die eigenen Versprechen einhält, ehrlich bleibt und Anvertrautes wirklich für sich behält, liebevoll statt wertend oder vorwurfsvoll spricht
- – Offenheit für Kinder bewahren, für ihre Träume und Vorstellungen, es geht im Gespräch nicht um die Realität, sondern um die Gefühle (also wenn das Kind sagt „Am liebsten würde ich alle Spielzeuge der Welt kaufen“ geht es nicht um die Frage, ob man denn genug Geld hat)
Sie stellt auch das aktive Zuhören nach Thomas Gordon vor. Dabei geht es um die wichtige Technik des Zuhörens, um zuzuhören – statt zuhören, um zu antworten. Beim aktiven Zuhören spiegeln wir Gefühle, paraphrasieren die Erzählungen und geben den Kindern (oder Erwachsenen) die Möglichkeit, die eigenen Gedanken weiter zu spinnen. Wir signalisieren, dass wir ihnen zutrauen, eigene Lösungen zu finden.
Eltern würden ihren Kindern gern belastende Gefühle nehmen, aber wenn wir sie einfach wegwischen („Ach, das geht bald vorbei! Nicht so schlimm!“), reden wir sie damit klein. Kinder können damit verlernen, auf ihr eigenes Gefühl zu vertrauen.
Fallen können dabei sein, dass wir zu viel interpretieren. Sagt das Kind „Ich hasse Anna, sie spielt nur noch mit Lisa und nie mehr mit mir.“ und die Rückmeldung lautet „Du bist zur Zeit wütend auf Anna, weil sie gerade mehr mit Lisa spielt als mit dir.“, dann versuchen wir damit, das Kind in eine Richtung zu drängen, nehmen ihm aber die Möglichkeit, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Gleichzeitig sind Kinder (berechtigterweise) irgendwann genervt, wenn wir nur „nachplappern“, was sie gesagt haben.
Eine wichtige Anmerkung, die Döpfner hat, ist dass es wenig sinnvoll ist, nach einem „Warum“ zu fragen. Zum einen können kleine Kinder das oft noch gar nicht beantworten, zum anderen ist das „Warum“ oft zielorientiert, aber nicht darauf ausgerichtet, dem Kind auf emotionaler Ebene zu begegnen.
Zeit für Gespräche finden
Döpfner empfiehlt, regelmäßig mindestens 15 Minuten für ein konzentriertes Gespräch einzuplanen, am besten als tägliches Ritual. Gespräche funktionieren mit Kindern meist nicht auf Knopfdruck und sie müssen auf freiwilliger Basis stattfinden. Es klappt manchmal weniger gut, sich einfach gegenüber zu sitzen und zu sagen „So, lass uns reden.“. Sinnvoller ist es, sich zu einer gemeinsamen Handlung zu verabreden (Tee trinken, spazieren gehen…) und dabei locker zu reden.
Es ist auch eine Möglichkeit, beim gemeinsamen Essen Gelegenheiten einzurichten, um miteinander zu sprechen. Dabei hilft eine angenehme Atmosphäre: Ein schön gestalteter Tisch, Kerzen, die Handys bleiben weg vom Tisch. Gerade wenn man mehrere Kinder hat und eins vielleicht sehr dominant ist, könnte es eine gute Idee sein, abends am Tisch reihum erzählen zu lassen und darauf zu achten, dass alle an die Reihe kommen. Stilleren Kindern sollte man auch die Möglichkeit geben, allein mit den Eltern reden zu können.
Das Wichtigste ist aber, gute Kommunikation vorzuleben, denn Kinder lernen vor allem von unserem Vorbild. Wenn wir Kinder ansprechen, ist es wenig sinnvoll, quer über den Spülplatz halbherzig zu rufen, dass man aber bald nach Hause muss. Besser klappt es
- – auf Augenhöhe
- – mit Blickkontakt
- – körperlich zugewandt
- – eventuell mit Körperkontakt, z.B. einer Hand auf der Schulter
- – Kinder zu Ende reden lassen
- – Direkt freundlich nachhaken und um Bestätigung bitten, wenn die Kinder keine Rückmeldung geben, einen gehört zu haben
Vermeiden sollten wir:
- – Ansagen
- – Vorwürfe
- – Strafen
- – Belohnung
- – Manipulation
- Um schmerzvolle Erfahrungen zu verarbeiten hilft es Kindern:
- – von der Kindheit ihrer Eltern zu hören, wenn diese ähnliche Erfahrungen gemacht haben
- – die Erlebnisse immer wieder zu erzählen, gemeinsam darüber zu sprechen, bis sie ihren Schrecken verloren haben
- – die Gefühle des Kindes zu benennen – allein dadurch werden sie abgeschwächt (weil der „rationale Teil“ des Gehirns anspringt)
- Um die Empathie unserer Kinder zu fördern, können wir:
- – gemeinsam über die Gefühle anderer sprechen (z.B. die des Kindes auf dem Spielplatz, das geweint hat, die der Verkäuferin in der Bäckerei ..)
- – über unsere eigenen Gefühle sprechen
- – bei Kindern die Gefühle benennen
Gute Gespräche am Laufen halten
Kinder wollen nicht verhört werden. Wenn wir immer nachhaken „Und wie war es dann? Und was hast du dann gemacht? Wie hast du dich gefühlt?“ kann es passieren, dass sie irgendwann abblocken. Ein Gespräch bleibt offener, wenn wir versuchen, die Gefühle der Kinder rückzumelden.
Im Gespräch sollten wir Ärgerformulierungen vermeiden, denn bei Ärger formulieren wir ungünstiger. Verallgemeinerungen, Übertreibungen und natürlich Beleidigungen stoppen Gespräche auf Dauer. Wir können aber natürlich trotzdem auch mal unsere Empfindungen mitteilen – mit Ich-Botschaften.
Gerade bei kleineren Kindern ist es sinnvoll, nach einem Gespräch oder einem Streit noch mal mit einem Kind zu sprechen und zu erklären, wie man sich gefühlt hat. AUhc das Kind dazu anzuregen, sich einzufühlen und einen Perspektivwechseln vorzunehmen, hilft ihnen sehr, eine gute Kommunikationskultur zu lernen. Zu einem Perspektivwechsel sind Kinder aber erst mit etwa 4 Jahren in der Lage!
Auf ein Kind einzugehen, statt Ansagen zu machen, erhöht auch die Kooperationsbereitschaft. Will das Kind im Winter unbedingt die Sandalen anziehen und sagt „Ich will die Sandalen anziehen!“ werden Vorwürfen oder Ansagen („Im Winter tragen wir Winterstiefel!“) den Zugang zum Kind blockieren. Ohne unseren Standpunkt aufzugeben, können wir einfach auf den Wunsch eingehen. „Du magst die richtig gern, oder?“.
Fragen, die wir Kindern stellen können
- Fragen über Phantastische Szenarien (es macht Spaß, sich darüber auszutauschen, man kann eventuell über Ängste sprechen): Was würdest du tun, wenn du zaubern könntest? Was würdest du tun, wenn du unsichtbar wärst?
- Fragen über die Wünsche und Vorlieben der Kinder: Welche Filmfigur wärst du gern? Was würdest du gern mal richtig gut können?
- Fragen zu den Favoriten Favoriten der Kinder: Was ist dein Lieblingsort? Was ist deine Lieblingsfarbe?
- Fragen zu Einstellungen und Werten (um zu diskutieren, Standpunkte auszutauschen und die Ideen der Kinder zu hören): diskutieren und Standpunkte austauschen: Was stört dich am Kindergarten? Was passiert nach dem Tod? Haben Tiere Gefühle?
- Fragen, die die Kreativität anregen: Was würdest du gern erfinden? Welches Medikament sollte man erfinden?
- Gegensatz-Fragen: Wärst du lieber ein Zwerg oder ein Riese? Magst du lieber strenge oder nicht so strenge Lehrer*innen?
- Fragen zu Gefühlen der Kinder (gut, um sich mit den Erfahrungen der Kinder zu beschäftigen): An welchen schönen Traum erinnerst du dich? Wann hast du schon mal richtig starke Angst gehabt?
In diesem Artikel habe ich viele unterschiedliche Expert*innen zur Kommunikation mit Kindern vorgestellt. Es ist leicht, sich nach so einem Artikel überwältigt zu fühlen, sich vorzunehmen, sofort alles anzuwenden und dann am Ende doch nichts zu ändern.
Ich lade euch also gern dazu ein, den Artikel noch einmal kurz zu überfliegen und euch einen Punkt heraus zu suchen, der etwas in euch anstößt. Probiert genau das eine Woche lang aus. Dann könnt ihr zum Artikel zurück kommen und vielleicht das nächste ausprobieren. Und so wird sich euer Repertoire Stück für Stück erweitern.
Und wie gesagt: Es geht nicht darum, immer perfekt zu reagieren, das kann niemand (außer vielleicht Gandhi). Aber wir können viel dafür tun, um grundsätzlich relativ gut zu kommunizieren. Und das reicht.
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